- In Zahlen:
1200 Statuspunkte bei der Deutschen Bahn, damit BahnBonus-Status erfahren. Was ich davon laut Bahn-Mitteilung hatte: Zugang zu den pompösen Bahn-Lounges mit Kaffee und Leckereien, stets einen freien Sitzplatz und immer nur Freude mit der Bahn. Was ich tatsächlich davon hatte: Frust mit überfüllten Bahnlounges mit Bäh-Kaffee, überfüllte Züge und immerhin stets einen Grund für eine witzige Facebook-Nachricht.
90 Tage Sperrfrist bei der Agentur für Arbeit. Weil ich Looser selbst gekündigt habe anstatt mich rausschmeißen zu lassen. Dabei wollte ich nichts außer einer Möglichkeit, einen lückenlosen Nachweis für die Sozialversicherung vorzuweisen zu können, wenn ich in (*moment, Atemnot*) 39 Jahren Rente beantrage.
10 Umzugskartons in einem 4qm-Lagerhaus. Maurice hat meine Habseligkeiten aus Stuttgart verpackt und eingelagert. Das wird wie Weihnachten, wenn ich diese Kartons irgendwann mal wieder auspacke.
500 Laufkilometer hat meine Runtastic App dieses Jahr aufgezeichnet.
- In Momenten:
überwältigend: Franzi fährt dieses Jahr – aus wohl bekannten Gründen- kein Ski: Mal keine 12 Wochen im Bett liegen, mal nicht am Deutschen Gesundheitssystem verzweifeln, mal keine Puddingwade. Trotzdem geht die erste Reise Richtung Alpen. In Zürich den GMAT (*räusper* zum zweiten Mal) schreiben. Göteborg, Lund, Aarhus, St. Gallen und Boston erhalten in diesen Tagen Bewerbungen von mir und ich gehe allen Leuten kräftig auf die Nerven mit allen möglichen Anliegen: Professoren und Zeiss bezüglich Empfehlungsschreiben und Zeugnissen; Freunden, die schon im Ausland studiert haben bezüglich Motivationsschreiben und Maurice & Familie müssen beinahe täglich Pro und Contra-Listen diskutieren. Am 13.März erhalte ich die Zusage von der Fletcher School – womit ich wirklich nicht gerechnet habe! Ich saß in meiner verrückten WG in Aalen in meinem Schaukelstuhl, las die Zusage drei Mal, realisierte die Höhe des Stipendiums und das erste, was ich gemacht habe: nicht wirklich Hollywood-reif geweint. Hollywood versaut uns normale Menschen nämlich: In jedem Film brechen Menschen in frenetische Jubeltänze aus, wenn ihnen großartige Dinge passieren. Ich habe mich auch riesig gefreut und trotzdem war ich nur zu dieser einen Gefühlregung fähig. Ein wahrhaft überwältigender Moment!
unwirklich: Interdisziplinäres Projekt mit der JoNa (Journalistische Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin), eines meiner letzten Seminare. Thema: 17.Juni 1953. Ich schreibe über die Rolle des Rundfunks im Amerikanischen Sektor und versuche für meine Recherchen, den legendären Politiker und Journalist Egon Bahr zu erreichen. Als ich die Hoffnung schon aufgegeben habe, ruft mich sein Büro wieder an. Nur dass diesmal nicht seine Assistentin, sondern Herr Bahr persönlich dran ist. Wenn ich mit ihm sprechen wolle, dann jetzt oder gar nicht. Am nächsten Tag startete er seine Buchtour und hätte dann überhaupt keine Zeit mehr. Was man eben so macht mit 93… Ein überraschend und gleichzeitig unwirklicher Moment!
Ich treffe einen Zeitzeugen, der am 17.Juni zu Unrecht festgenommen wurde und viele Tage im Zuchthaus verbracht hat. Unser Interview führen wir bei ihm zu Hause, seine Frau hat Bienenstich gebacken und er zeigt mir Erinnerungsstücke aus einer Zeit, an die er sich eigentlich nur ungern erinnert. Ein bewegender Moment:
überraschend: Da habe ich meine Übergabe vorbereitet an der Arbeit und auf einmal lädt meine Chefin mich zum Nachmittagskaffee ein. In der Cafeteria warteten viele liebe Kollegen, meine liebsten Süßigkeiten und großartige Abschiedsgeschenke. An meine letzten beiden Arbeitstagen in Jena und Oberkochen habe ich noch Bilder gemacht; vielleicht war es ja nur ein Abschied auf Zeit?!


freudig und emotional: Es gibt da so ein Buch, was mich bewegt hat. Titel: “The top five regrets of the dying”, geschrieben von einer Palliativpflegerin, die festgestellt hat, dass alte sterbende Menschen oft dieselben Dinge bereuen. Unter anderem wünschen sich die meisten, dass sie den Kontakt zu ihren Freunden hätten aufrechterhalten sollen. Und so fuhr ich vor meinem Abflug nach Boston nach Hamburg, Kassel, Aalen, Berlin, Stuttgart und überall habe ich festgestellten dürfen, was für großartige Menschen ich in meinem Leben habe! Mitte Juli stand ich gegen Mitternacht nach dem Konsum einiger alkoholhaltiger Erfrischungsgetränke in unserem Garten in Baunatal: Eine laue Sommernacht. Aus dem Gartenhäuschen rauschte Musik, einige Leute tanzten. Rund um den selbst gebauten Brunnen, Opa Reinhardts ganzer Stolz, saßen meine Freunde aus allen Teilen Deutschlands, die an diesem Abend ins kleine Baunatal gekommen waren, um mit mir Abschied zu feiern. Ich hielt inne: Einnige Jungs (ja, ich meine damit 28-35jährige) stritten darum, wer als nächster auf der Sattelschaukel meiner Schwester “reitschaukeln” durfte, links neben mir bettelte ein angehender Lehrer meine Eltern, noch eine Runde auf dem Kindertrampolin springen zu dürfen und mein Vater zündete den Grill zum Late-Night-Snack an. Was kann es Schöneres geben? (Ja, das ist ein rhetorische Frage, weil wir danach natürlich noch eine Runde Flunky Ball gespielt haben, aber das passte jetzt nicht mehr in meinen Moment ;-))

traditionell: Dieses Jahr war es zum ersten Mal soweit. Junggesellinnenabschied und Hochzeit – und Franzi war dabei. Im Klettergarten viel geschwitzt, mit der Limousine durch die Stadt gecruised und…moment! Das ja nun hier ein öffentlicher Blog….;-) Am 03.August 2013 haben unsere Freunde Jassie und Fritz sich das Ja-Wort gegeben und ich muss sagen, dass dieser Moment etwas Magisches hat. Die Orgel spielt, die alten, morsch klingenden Kirchentüren öffnen sich und eine atemberaubend schöne und strahlende Braut schreitet zu ihrem Bräutigam. Dass wir zum Sonnenaufgang Westernhagens “Freiheit” Arm in Arm gesungen haben, passt jetzt nicht mehr zu dem traditionell, aber was solls. Eine großartige Erinnerung!
wahnsinnig: Seit August beschreibe ich fast wöchentlich mein Leben an der Fletcher School. Es ist wahnsinnig anders als alles, was vorher in Deutschland war, es ist wahnsinnig viel zu tun und zu erleben, es kann wahnsinnig anstrengend sein, wenn man eigentlich wirklich gerne schlafen möchte, aber eine nächtliche Schneeballschlacht ansteht oder ein Geburtstagskuchen um 24.00Uhr oder ein Konzert der Hausband oder oder oder. Genauso ist es wahnsinnig schön und erfüllt mich mit Stolz, ein Teil von jungen Menschen aus aller Welt zu sein, die alle etwas eint: Der Glaube an diese Welt, die Menschheit und die Bereitschaft, etwas zu dieser Welt beitragen zu wollen.

tränenreich: Ja, die muss es auch geben, die “was mache ich hier eigentlich?”-Momente oder die “was will ich eigentlich vom Leben?”-Fragen. Bevorzugt zu erwarten bei Schlafentzug oder emotionaler Überforderung. Diese Momente haben allerdings weniger etwas mit 2013 zu tun, mit Boston oder mit meinen Entscheidungen. Diese Momente werden mich mein ganzes Leben begleiten. Das Schöne an 2013: Ich habe erkannt, dass jeder Mensch, der ein Fünkchen Anspruch an sein Leben stellt, diese Momente hat und dass diese Momente gut tun. Sie führen dazu, dass wir alles in Frage stellen und uns bewusst wieder für Dinge entscheiden. Wenn Du weißt, wo Du bist, kannst Du überall sein!
“I wish I’d had the courage to live a life true to myself, not the life others expected of me.” (Bonnie Ware: Top five regrets of the dying)
- Zusammengefasst: Ja, 2013 war ein Jahr der Veränderung. Und gleichzeitig war es ein Jahr der Kontinuität. Und ich freue mich auf viele weitere solcher gegensätzlicher Jahre und Momente und wünsche das auch Euch allen! Wer noch nicht auf den Link geklickt hat: Was die sterbenden Menschen am meisten bereuen, ist, nicht das Leben gelebt zu haben, was sie wirklich leben wollten. Sie wünschen sich, sie hätten ihr eigenes Leben gelebt und nicht das, was von ihnen erwartet wurde. Das ist mein Vorhaben für 2014: Dass ich mich freimache von allen Erwartungen, auch von meinen eigenen!
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