Für Lesefaule: Viel Vorfreude, Skype-Dates, handgeschriebene Briefe, Abschiedstränen, gelegentliches Hinterfragen, warum man gerade 8 Flugstunden voneinander getrennt ist und gleichzeitig viel Freiheit. Nach 7 Monaten Deutschland-USA-Fernbeziehung kann ich mich nicht beschweren.
Anfang März: Terminal B, Logan Airport, Montag-Abend. Ich bin gestern Abend spät mit dem Bus aus New York wiedergekommen, hatte heute Morgen Study Group-Treffen an der HBS, dann Arctic Conference an der Fletcher School, mein Kühlschrank in Blakeley ist natürlich leer, in mein Zimmer ist keiner eingebrochen und hat alles durcheinandergebracht – das ist der “Midterm”-Standard. Alles egal: Heute kommt Maurice. Und er bleibt diesmal für drei Wochen! Am Terminal B gibt es ein Dunkin Donuts und die haben einen richtig leckeren, völlig künstlichen Vanillekaffee, auf den ich total stehe. Immer wenn ich jemanden vom Flughafen abhole, gönne ich mir einen: “Vanilla flavored coffee with cream”, stelle mich neben den Info Point am Terminal und warte, mit einem Lächeln auf den Lippen. Und das ist Erfahrung Nr. 1: Vorfreude kann sooooo schön sein. Wie ein kleines Kind sich auf seinen Geburtstag freut, so lernt man sich darauf zu freuen, seine Lieben nach langer Zeit wieder zu sehen.
Ende März: Gestern Abend haben wir in meinem Zimmer in Blakeley mit meinen Kommilitonen einen Scotch getrunken, gepackt und hitzig über Europa diskutiert. Meine Freunde, drei Inder und ein Pakistaner, haben in den letzten Wochen Maurice gut kennengelernt. Wir haben Bollywood-Filme geschaut, zum St. Patrick´s Day Wochenende in Irish Pubs abgehangen, mit der Fletcher Band getanzt. Sie alle umarmen ihm zum Abschied. Am Morgen laufen wir nach dem Frühstück zum Davis Square, Maurice mit seinem Koffer, ich mit meinem Fahrrad, Hand in Hand. Es ist endlich kein Minus mehr vor den Celsius-Angaben, dafür peitscht der Wind kräftig durch die Straßen. Frühling ist es noch lange nicht. An der Red Line-Haltestelle gibt es einen Kuss, eine Umarmung und ein “bis später”. Dann setze ich mich auf mein Fahrrad Richtung Supermarkt und sehe noch, wie die Rolltreppe Maurice Richtung Untergrund transportiert. Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Im Mai sehen wir uns in Europa wieder. Das ist Erfahrung Nr. 2: Abschied ist doof. Und egal, wie oft wir das jetzt schon hinter uns haben. Es ist jedes Mal wieder doof!
Hier an der Fletcher School gibt es viele verrückte Beispiele von internationalen Beziehungen. Sie alle eint eins: Der Glaube an ihre Liebe, und der Drang nach Freiheit. Sie alle könnten mit ihren Partnern zusammenleben, sie alle wollen aber etwas erreichen, für das sie den Ort wechseln mussten. Ich finde das großartig und wenn ich mich ab und zu mal frage, warum ich gerade so weit weg bin von vielen Freunden, von meinem Freund, dann reicht es, wenn ich mich mit einem, dem es genauso geht, austausche.
So eine Fernbeziehung ist kein Zuckerschlecken und beinhaltet viele einsame Momente, in denen man von vielen umgeben ist und doch nur den einen vermisst. So eine Fernbeziehung setzt voraus, dass man sich uneingeschränkt vertraut und immer ehrlich miteinander ist. So eine Fernbeziehung beruht auf einer einfachen Formel: Es ist eine rationale Entscheidung, nicht nur ein Gefühl. So eine Fernbeziehung ermöglicht uns und vielen anderen Menschen, unseren Drang nach Freiheit zu leben. Es ist ein Model, was viele für unmöglich halten. Aber nach sieben Monaten kann ich sagen: Es kann auch Spaß machen 😉
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