Arbeitssuchend

Hier bin ich. 29. Meine letzten zehn Jahre? 1,4 Abi. 1,7 B.A. Politikwissenschaft, FU Berlin. 1,7 M.A. Internationale Beziehungen, The Fletcher School & Harvard Business School Boston. Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Journalistische Nachwuchsförderung. Vier lange Praktika. Bundesvorstand der Jugendpresse Deutschland. PR-Volontariat, anschließend Referentin für Onlinekommunikation. Bilingual.

Hier bin ich. Eine von diesen gut qualifizierten Millenials. Ich will arbeiten. Ich suche eine Stelle, die mich fordert. Eine Stelle, mit der ich ins Ausland gehen kann. Und, jaja Generation Y, ich habe auch diese total anmaßende Vorstellung, dass ich täglich Spaß an der Arbeit haben kann. Mit Vorgesetzten, die mich fördern und fordern und einem tollen Team. Das war bei meinem letzten Arbeitgeber, der Carl Zeiss AG, der Fall.

Hier bin ich. Mit ein paar Geschichten und Einsichten von der Jobsuche, die das Leben bunter machen.

1.) Globalisierte Arbeitswelt 

April 2015. Erstes Interview. Vielverpsprechendes Start-Up. Jung, motiviert. Ein Recruiter saß in einem meiner Corporate Strategy-Kurse. Ob ich Lust hätte auf internationale Geschäftsentwicklung, Europäischer Markt. Es folgten Emails, ein Telefoninterview mit dem Gründer. Alles gut. Bis zur Frage nach der Arbeitserlaubnis. Nach dem Studium in den USA dürfen Internationals ein Jahr lang arbeiten. Danach brauchen sie eine Arbeitserlaubnis, das h1b-Visum. Herausforderung: Der h1b-Antrag kostet mehrere Tausend Dollar. Und: Der Arbeitgeber muss bescheinigen, dass es keinen passenden Amerikaner für den Job gibt. Mein Start-Up-Job war damit hinfällig: Wir können derzeit keine Arbeitskräfte sponsoren…

Ich höre diesen Satz nicht zum letzten Mal. Die EU macht dasselbe mit ihren Internationals. Kein wirklicher Trost.

2.) Kein Kontakt, keine Chance

Eine Stellenausschreibung, die perfekt auf mich passt. Lebenslauf und Motivationsschreiben: mehrere Stunden. Abgeschickt. Hoffen. Eine Woche, zwei Wochen…zehn Wochen. Nachhaken. Keine Antwort. Es wird auch in den meisten Fällen keine kommen. Job-Kaltakquise bringt in den USA nichts. Neue Strategie: Stellenausschreibung. Klinken putzen: Wen kenne ich, der jemanden kennt, der usw… Ohne, dass ich mit jemandem innerhalb der Organisation gesprochen habe, läuft nichts. Netzwerken. LinkedIn ist mein neuer Freund. Ich habe das Jobseeker-Profil, darf wildfremde Menschen auf gut Glück anschreiben. Mein Anliegen in 100Worten? Kein Problem. Irgendeine Gemeinsamkeit kann ich schon aus meiner Zielperson rausstalken. Was ein Zufall? Wir beide lieben die New England Patriots; Sie lesen auch den Economist; Sie sind auch ein Jumbo; War das nicht eine tolle Veranstaltung letzten Donnerstag? Netzwerken. Gut, dass ich auf so vielen Cocktail- und Häppchen-Parties war in den letzten Jahren. Bewaffnet mit Visitenkarte, Lächeln, Elevator Pitch.

3.) Bitte keine Bescheidenheit

Das Office of Career Services an meiner Uni: Lebenslauf-Tuning. Was hast Du im Kosovo gemacht, im Lager der Deutschen Soldaten? Du hast vor dem CEO präsentiert? Das müssen wir viel besser darstellen. – Ein Ringen um Superlative, adäquatere Verben. Habe ich das bearbeitet, gemanaged, verantwortet? – Ein Mix?

Meine Karrriereberaterin schaut auf, legt den Stift hin, holt tief Luft. Pass mal auf: Wenn ein Amerikaner 48h auf dem Flughafen in Jordanien strandet, dann taucht das in seinen Lebenslauf als Business-Erfahrung in den Emerging Markets auf. Du musst besser sein als die Amerikaner, um hier einen Job zu kriegen. Lügen soll man nicht, aber seine Erfahrung in hübsche Wortkleider packen. Sie lacht. Den Europäern fiele das immer so schwer.

Hier bin ich: Communications Expert, Facilitator, Digital Strategist, Business Analyst mit Erfahrung in Brand Management, Project Management, Website Design und quantitative Modeling. Besondere Begabung für Relationship Management, Storytelling and Public Speaking. In meinem Motivationsschreiben erwähne ich immer, dass ich eine gesunde Portion Humor mitbringe. Sonst fange ich noch an zu weinen.

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